Praxisfragen zu den neuen Offenlegungspflichten (Impressum) – Interview mit Dr. Öhlböck

Mediengesetz-WordCloud

Mit der Novelle des österreichischen Mediengesetzes wurden die Offenlegungspflichten für elektronische Medien deutlich erweitert und der strafrahmen auf EUR 20.000 nahezu verzehnfacht. Die Novelle tritt mit 1.7.2012 in Kraft und betrifft Webauftritte und Newsletter. In unserem Artikel zu den neuen Impressumsvorschriften gehen wir eingehend auf die Neuerungen ein und stellen alle Offenlegungspflichten laut Mediengesetz detailliert dar.

Interview Dr. Öhlböck

Da alle Theorie grau ist, baten wir den Wiener Rechtsanwalt und Experten für Online Recht Dr. Johannes Öhlböck LL.M. um seine Einschätzung zu einigen Praxisfragen.

LimeSoda: Herr Dr. Öhlböck, reicht im Newsletter ein Link zu Impressum oder müssen alle Daten direkt im Newsletter angeführt werden?
Öhlböck: In periodischen Medienwerken, zu denen auch Newsletter gehören, müssen die in § 25 MedienG genannten Angaben veröffentlicht werden. Die Angaben können direkt dem jeweiligen Medium angefügt werden und somit im Newsletter selbst enthalten sein. Alternativ kann das Impressum auch über einen Link auf eine Website gestaltet sein, wo diese Angaben ständig leicht und unmittelbar abrufbar sind.

LimeSoda: Gilt das auch für Social Media-Auftritte wie Facebook-Seiten oder YouTube-Channel?
Öhlböck: Gemäß § 1 Abs 1 Z 5a sind unter „periodischen Medien“ alle Mittel zur Verbreitung von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt, die auf elektronischem Wege abrufbar sind oder wenigstens viermal im Jahr elektronisch verbreitet werden und einem größeren Personenkreis zugänglich sind. Da es für die Qualifikation als „Medium“ auf einen größeren Personenkreis ankommt, wird bei privaten Social Media Profilen kein Medium anzunehmen sein. Öffentlich einsehbare Seiten wie Facebook-Seiten von Unternehmen, die ohne Registrierung zugänglich sind, werden hingegen unter den Begriff des periodischen Mediums fallen.

LimeSoda: Müssen die Daten bei mehrsprachigen Websites übersetzt werden?
Öhlböck: Das neue Gesetz sieht keine explizite Regelung dafür vor, dass eine Übersetzung vorgenommen wird. Eine Verpflichtung kann sich allenfalls aber aus anderen Regeln (E-Commerce-Gesetz, Fernabsatzgesetz, …) ergeben, sodass es im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung ratsam ist, eine Übersetzung (der wenigen Worte) vorzunehmen.

LimeSoda: Gilt das auch für in Österreich tätige Unternehmen, die im Ausland (EU, Nicht-EU) ansässig sind?
Öhlböck: Nach § 50 MedienG ist § 25 MedienG auf Medien ausländischer Medienunternehmen nicht anzuwenden, es sei denn das Medium wird zur Gänze oder nahezu ausschließlich im Inland verbreitet.

LimeSoda: Wer kann bei Verstößen klagen? Konkurrenten, die Behörde, Kunden? Kann es in Österreich Abmahnwellen geben?
Öhlböck: Bei der Pflicht zur Veröffentlichung eines Impressums ist im Mediengesetz keine Klage vorgesehen. Wohl aber kann jedermann die Verwaltungsübertretung bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde bei dieser zur Anzeige bringen. Etwas anders stellt sich die Sachlage im Verhältnis zu Konkurrenten (Mitbewerbern) dar. Diese können eine Unterlassungsklage nach nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb einbringen, falls der Verstoß gegen die Impressumspflicht geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil des Unternehmers nicht nur unerheblich zu beeinflussen. Ob dies der Fall ist, ist im Einzelfall zu klären.

LimeSoda: Gibt es Anhaltspunkte, ab wann Content „meinungsbildend“ ist?
Öhlböck: Beispiele für Websites, die nicht geeignet sind, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen, sind etwa Unternehmenswebsites, die bloß das Unternehmen und seine Produkte oder Dienstleistungen vorstellen, ebenso Vereinswebsites, die den Verein und seine Aktivitäten präsentieren. Wird bei der Darstellung der Ziele auf gesellschafts- oder kulturpolitische Themen Bezug genommen, liegt keine privilegierte „kleine“ Website mehr vor. Werden etwa auf der Website eines Gärtnereiunternehmens auch umweltpolitische Themen diskutiert, ist die Website geeignet, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen und daher als „groß“ zu qualifizieren.

LimeSoda: Was ist mit Userbewertungen in Online-Shops? Sind die Meinungsbildend?
Öhlböck: Userbewertungen sind sicherlich geeignet, die öffentliche Meinungsbildung über ein Produkt oder eine Dienstleistung zu beeinflussen. Hier müsste man von einer vollen Offenlegungspflicht nach § 25 Abs 2-4 MedienG ausgehen.

Begriffsbestimmungen gemäß § 1 Mediengesetz

,,Medium”: jedes Mittel zur Verbreitung von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt in Wort, Schrift, Ton oder Bild an einen größeren Personenkreis im Wege der Massenherstellung oder der Massenverbreitung;

,,Medieninhalte”: Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt in Wort, Schrift, Ton oder Bild, die in einem Medium enthalten sind;

,,periodisches Medium”: ein periodisches Medienwerk oder ein periodisches elektronisches Medium;

,,Medienwerk”: ein zur Verbreitung an einen größeren Personenkreis bestimmter, in einem Massenherstellungsverfahren in Medienstücken vervielfältigter Träger von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt;

,,Druckwerk”: ein Medienwerk, durch das Mitteilungen oder Darbietungen ausschließlich in Schrift oder in Standbildern verbreitet werden;

,,periodisches Medienwerk oder Druckwerk”: ein Medienwerk oder Druckwerk, das unter demselben Namen in fortlaufenden Nummern wenigstens viermal im Kalenderjahr in gleichen oder ungleichen Abständen erscheint und dessen einzelne Nummern, mag auch jede ein in sich abgeschlossenes Ganzes bilden, durch ihren Inhalt im Zusammenhang stehen;

,,periodisches elektronisches Medium”: ein Medium, das auf elektronischem Wege

  1. ausgestrahlt wird (Rundfunkprogramm) oder
  2. abrufbar ist (Website) oder
  3. wenigstens vier Mal im Kalenderjahr in vergleichbarer Gestaltung verbreitet wird (wiederkehrendes elektronisches Medium);

,,Medienunternehmen”: ein Unternehmen, in dem die inhaltliche Gestaltung des Mediums besorgt wird sowie

  1. seine Herstellung und Verbreitung oder
  2. seine Ausstrahlung oder Abrufbarkeit

entweder besorgt oder veranlasst werden;

,,Mediendienst”: ein Unternehmen, das Medienunternehmen wiederkehrend mit Beiträgen in Wort, Schrift, Ton oder Bild versorgt;

,,Medieninhaber”: wer

  1. ein Medienunternehmen oder einen Mediendienst betreibt oder
  2. sonst die inhaltliche Gestaltung eines Medienwerks besorgt und dessen Herstellung und Verbreitung entweder besorgt oder veranlasst oder
  3. sonst im Fall eines elektronischen Mediums dessen inhaltliche Gestaltung besorgt und dessen Ausstrahlung, Abrufbarkeit oder Verbreitung entweder besorgt oder veranlasst oder
  4. sonst die inhaltliche Gestaltung eines Mediums zum Zweck der nachfolgenden Ausstrahlung, Abrufbarkeit oder Verbreitung besorgt;

,,Herausgeber”: wer die grundlegende Richtung des periodischen Mediums bestimmt;

,,Hersteller”: wer die Massenherstellung von Medienwerken besorgt;

,,Medienmitarbeiter”: wer in einem Medienunternehmen oder Mediendienst an der inhaltlichen Gestaltung eines Mediums oder der Mitteilungen des Mediendienstes journalistisch mitwirkt, sofern er als Angestellter des Medienunternehmens oder Mediendienstes oder als freier Mitarbeiter diese journalistische Tätigkeit ständig und nicht bloß als wirtschaftlich unbedeutende Nebenbeschäftigung ausübt;

,,Medieninhaltsdelikt”: eine durch den Inhalt eines Mediums begangene, mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung besteht.

Gesamtes Mediengesetz (MedienG) in der Fassung ab 1.7.2012

Noch keine Bewertungen.
Bitte warten...

Kommentare

    Hinterlasse einen Fingerabdruck für die Ewigkeit: Ein Kommentar bei LimeSoda!

    (*) Pflichtfeld

    Bewirb dich bei uns!

    LimeSoda.
    Digitalagentur in Wien.

    Bewirb dich jetzt!
    Philipp

    Verpasse nicht den nächsten Blog-Post von Philipp!

    Jetzt zum LimeSoda-Newsletter anmelden