Die EU-Verbraucherrechte-Richtlinie (VRRL) im Überblick
Die Verbraucherrechte-Richtlinie in 15 Sekunden:
Wer an Verbraucher (Konsumenten, Endkunden) verkauft, muss seit 2014 Informationspflichten und Widerrufsfristen beachten, trägt das Transportrisiko und darf für Kundenhotlines keine teuren Tarife mehr verwenden. Für Webshops gelten zusätzliche Sonderbestimmungen.
Die Änderungen in „Kürze“
Ich möchte in diesem Artikel einen schnellen Überblick über die notwendigen Maßnahmen lt. Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) und Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (VRUG) geben. Bitte nehmen Sie die folgende Liste als Diskussionsgrundlage, lassen Sie Ihren Webshop und Ihre Unterlagen davon unabhängig jedenfalls rechtlich prüfen. Am Ende des Artikels finden Sie weiterführende Links.
- Neue Informationspflichten: Die unten stehende Tabelle listet auf, worüber zwingend informiert werden muss und zu welchem Zeitpunkt dies zu geschehen hat. Manche der Verpflichtungen gelten nur im Fernabsatzgeschäft (z.B. Webshop). Hier folgen einige Spezifizierungen.
- Versandkosten: Alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Versandkosten und alle sonstigen Kosten sind exakt zu nennen.
- Nur in sehr restriktiv gehandhabten Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, muss die Tatsache genannt werden, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können (z.B. Lieferung eines Fertigteilhauses in die Schweiz).
- Beispiel für Ausweg: „Lieferung auf Insel Sylt nur auf Anfrage“.
- Lieferbeschränkungen: Müssen bei „Beginn des Bestellvorgangs“ genannt werden. Also schon auf jenen Seiten, die einen Warenkorb-Button enthalten.
- Es sollte eine von überall verlinkte Seite mit diesen Informationen geben. Auf jeden Fall muss die Information im Warenkorb stehen.
- Zahlungsmöglichkeiten: Es muss klar sein, wie man bezahlen kann.
- Logos im Footer sind ok.
- Es ist ok, bestimmte Zahlungsmittel später für Retouren-Junkies oder nach Bonitätsprüfung zu sperren. Sicherheitshalber sollte dann aber z.B. bei Kauf auf Rechnung „Vorbehaltlich positiver Bonitätsprüfung“ vermerkt werden.
- Vorausgewählte Zusatzleistungen (pre-ticked boxes):
- Werden Leistungen zusätzlich zur Hauptleistung verkauft (z.B. Versicherung), muss der Konsument ausdrücklich zustimmen.
- Die Zustimmung darf nicht über vorausgefüllte Boxen erfolgen.
- Versandkosten gehören aber zur Hauptleistung. D.h. auch wenn der Standardversand teurer ist als die kostenlose Abholung, fällt dies nicht unter diese Klausel.
- Liefertermin:
- Es muss der „Termin“ genannt werden, bis zu dem sich der Unternehmer verpflichtet, die Waren zu liefern oder die Dienstleistung zu erbringen.
- Eine Angabe von Tagen bis zur Lieferung reicht.
- Laut Rechtsprechung (Deutschland) ist „Zirka 5 Tage“ in Ordnung. „In der Regel 5 Tage“ jedoch nicht.
- Werden „Werktage“ angegeben, muss klar sein, welche Feiertage gelten.
- Es muss nach neuem Recht immer etwas zur Lieferzeit gesagt werden („sofort versandfertig“ reicht nicht!).
- Es geht darum, wann die Lieferung beim Kunden ankommt. Klingeln reicht, Übergabe ist nicht erheblich.
- Bei mehreren Versandarten: Standardversand angeben oder alle separat ausweisen.
- Auch „8-10 Wochen“ ist als Angabe ok. Der Kunde muss es nur vorher wissen.
- Bei Downloadprodukten ist „sofort“ ok.
- Bei Teillieferungen gilt die Lieferzeit des am längsten laufenden Artikels.
- Risikoübergang bei Versendungskauf:
- Grundsätzlich geht das Risiko für Verlust oder Beschädigung der Waren erst dann auf den Verbraucher über, wenn er oder ein von ihm benannter Dritter die Waren in Besitz genommen hat.
- Diese Regelung weicht erheblich vom derzeit geltenden österreichischen Recht ab!
- Verbot kostenpflichtiger Telefonhotlines:
- Verbraucher dürfen nicht mehr als den Grundtarif zahlen, wenn sie mit dem Unternehmen im Zusammenhang mit dem geschlossenen Vertrag telefonisch Kontakt aufnehmen.
- Gilt nur für Kunden, nicht für Interessenten oder die allgemeine Nummer!
- Diese Kundennummer z.B. nur in E-Mail oder Lieferpapieren zu kommunizieren ist ok.
- Unter „Grundtarif“ können das ortsübliche Festnetz, eine normale Mobilfunknummer oder jede andere Nummer ohne Verdienst (cash back) für den Anbieter verstanden werden.
- Unzulässigkeit von Zahlungsaufschlägen:
- Es muss eine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit zur Verfügung stehen.
- Vorkasse ist zwar gängig, aber nicht zumutbar (Insolvenzrisiko).
- Das vereinbarte Entgelt darf auch bei weiteren Zahlungsmethoden nicht über die Kosten hinausgehen, die dem Unternehmer durch die Nutzung des Zahlungsmittels entstehen.
- Rückerstattung mit gleichem Zahlungsmittel:
- Für die Rückzahlung muss der Unternehmer dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat.
- Außer, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und dem Verbraucher dadurch keine Kosten entstehen.
- Es darf auch z.B. ein 110%-Gutschein angeboten werden. Aber: Das darf kein Zwang sein oder in AGB vorgeschrieben stehen.
- Bei Nachnahmen: Das ist eine Barzahlung. Hier ist trotzdem Rücküberweisung möglich. Sollte aber vorher bei Zahlungsmethoden bekannt gegeben werden.
- Button-Lösung – Informationspflichten:
- In Deutschland schon länger in Kraft schreibt diese Regelung besondere, vorvertragliche Informationspflichten unmittelbar vor dem Bestellvorgang und die genaue Bezeichnung des Kauf-Buttons vor.
- Auf der Bestellseite müssen die „wesentlichen“ Produktmerkmale unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stehen: Produktbild und die Bezeichnung, evtl. noch die Größe und Farbe (je nach Produkt). Zusätzlich sollte ein eindeutig bezeichneter Link, z.B. „alle Detail-Informationen zu dem Produkt“, mit aufgenommen werden, der auf die Produktdetailseite führt.
- Wer 100 % sicher gehen will, sollte alle Produktmerkmale anführen.
- „Unmittelbar“ bedeutet zwischen Produktinformationen und Kauf-Button darf möglichst nichts stehen. AGB und Widerrufsrecht (als Links) sollten aber ok sein.
- Button-Lösung – Beschriftung Kauf-Button:
- Die Schaltfläche muss gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein.
- Die Originalformulierung schnitt in A/B-Tests aus Sicht der Conversion-Optimierung eher schlecht ab.
- Widerrufsrecht von 14 Kalendertagen:
- 14 Tage ab dem Tag, an dem der Verbraucher oder ein vom Verbraucher benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, in den physischen Besitz der Waren gelangt.
- Es wird also nur noch auf den Liefertermin (= tatsächlicher Erhalt der Ware!) abgestellt – die Widerrufsbelehrung ist dadurch einfacher als früher.
- Die Frist beginnt bei physischer Übergabe (persönlich, Person im Haushalt, Paketbriefkasten). Nicht: Packstation, Posthinterlegung, Nachbar (außer bei Vollmacht), In-den-Flur-legen.
- Bei Unterlassung oder falscher Widerrufsbelehrung verlängert sich die Frist auf maximal 12 Monate nach Ende der ursprünglichen Frist. Also nicht mehr unendlich wie derzeit in Deutschland.
- Muster-Belehrung für Widerruf:
- Es gibt eine rechtssichere Musterbelehrung. Insgesamt gibt es allerdings ca. 50 Kombinationsmöglichkeiten aus Fristbeginn, Online-Formular, Abholung und Kosten – je nach Bestellsituation. Es darf aber nur die jeweils passende angezeigt werden. Die exakte Regelung sprengt den Rahmen dieses Artikels. Trusted Shops bietet hier ein Whitepaper für das Widerrufsrecht und eines für das Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten.
- Bei Shops die B2C und B2B verkaufen: Man kann darüber schreiben, dass das Widerrufsrecht nur für Verbraucher gilt.
- Ausübung des Widerrufsrechts:
- 1) Muster-Widerrufsformular: Dieses Formular ist in seinem Inhalt und der Reihenfolge des Inhalts vorgegeben (nicht in der Formatierung). Es muss verwendet werden. Einerseits auf der Website verfügbar, andererseits muss es mit der Belehrung mitgeschickt werden.
- 2) Freies Formular auf Webseite (optional). Unternehmer muss dann aber den Zugang des Widerrufs auf einem dauerhaften Datenträger (also z.B. per E-Mail) bestätigen.
- 3) Verbraucher können den Widerruf z.B. auch per E-Mail oder telefonisch ausüben, solange aus der Erklärung der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf eindeutig hervorgeht. Bloßes Zurücksenden des Pakets reicht nicht.
- Rückabwicklung:
- Verbraucher müssen erhaltene Ware binnen 14 Tagen (ab Mitteilung des Widerrufs) zurücksenden.
- Unternehmer haben jede mit dem Widerruf zusammenhängende Zahlung, die vom Verbraucher erhalten wurde, binnen 14 Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über den Widerruf eingegangen ist.
- Unternehmer können die Rückzahlung an die Voraussetzung knüpfen, dass der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, die Ware bereits zurückgeschickt zu haben. Das muss allerdings zuvor so vereinbart sein!
- Alle Kosten der Hinsendung muss der Unternehmer erstatten. Ausgenommen sind Expresszuschläge beim Versand.
- Der Verbraucher trägt die Kosten der Rücksendung. Es sei denn, der Unternehmer hat sich im Vertrag bereit erklärt, diese Kosten zu tragen, oder der Unternehmer hat es versäumt, den Verbraucher darüber zu unterrichten, dass er diese Kosten zu tragen hat.
- Achtung: Der Verbraucher trägt zwar die Kosten der Rücksendung, der Unternehmer jedoch das Transportrisiko. Deshalb sollten Rücksendungen in jedem Fall angenommen und lieber nachher eine Kosteneinbringung versucht werden.
- Wertersatz bei Warenlieferungen:
- Der Verbraucher haftet für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist.
- Es gibt keinen Nutzungswertersatz (quasi Miete für Nutzungszeit). Falls die Ware sich nicht verschlechtert ist, hat der Unternehmer also keinen Wertersatzanspruch.
- Bestätigung des abgeschlossenen Fernabsatzvertrages:
- Alle Informationspflichten müssen in Textform (dauerhafter Form) mitgeteilt werden. Kann im Bestätigungsmail erfolgen, dürfte aber (sinnloserweise) auch erst mit der Lieferung in Papierform geschickt werden.
Informationspflichten für Verbrauchergeschäfte in Webshops inkl. Zeitpunkt der spätesten Anzeige
(1) Beginn des Bestellvorganges: Jede Seite mit Warenkorb-Button (Nicht: Warenkorb)
(2) Vor Vertragsabschluss: Jederzeit.
(3) Unmittelbar vor Vertragsabschluss: Exakt auf der letzten Seite des Checkouts, direkt vor dem Kauf-Button.
(4) Nach Vetragsabschluss: Bestellbestätigung auf "dauerhaftem Datenträger" wie E-Mail oder Papier.
Gibt es Ausnahmen für manche Branchen?
Ja: z.B. Verträge über soziale Dienstleistungen, Gesundheitsdienstleistungen, Glücksspiele mit geldwertem Einsatz, Finanzdienstleistungen, Lieferungen von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, Verträge unter Verwendung von Warenautomaten, Pauschalreiseverträge.
Gilt das in allen EU-Ländern?
Manches ja, manches nein. Bezüglich des Verbraucherschutzniveaus gilt die Vollharmonisierung: Kein Mitgliedstaat darf strengere oder weniger strenge Regeln erlassen. Nicht harmonisiert sind weiterhin Datenschutzrecht, Vertragsrecht oder die Sanktionen bei Rechtsverstößen. D.h. beim Verbraucherschutz ist überall dasselbe verboten, es drohen aber in den verschiedenen Mitgliedsstaaten unterschiedliche Strafen. Deutschland und Polen agieren hier beispielsweise scharf, England lockerer.
Ich will mehr!
Gute Informationen bieten die Wirtschaftskammer Österreich (teils nur für Mitglieder) und Trusted Shops für die deutsche Rechtslage.