Die Krux mit der Umsatzsteuer in Webshops

Die Krux mit der Umsatzsteuer in Webshops

Die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) ist neben Einkommenssteuern die größte Steuereinnahme des Staates. Konsumenten müssen sie zahlen, Händler müssen mit der durch den höheren Preis geringeren Nachfrage klarkommen, sie kassieren und an die Finanz abliefern. Vom sozialen Umverteilungsaspekt dieser Massensteuer einmal abgesehen, insgesamt für alle Beteiligten eine mühsame und teure Angelegenheit.

„Der Webshop wird doch wohl Umsatzsteuer können?“

Leider ist das Thema mit der obigen Einleitung keinesfalls abgehandelt. Dienstleister, Produzenten und Händler müssen eine Menge kaufmännischer, steuerlicher und rechtlicher Dinge beachten. Im Offline-Verkauf ebenso wie im E-Commerce. In unserer Beratungspraxis rund um die Umsetzung anspruchsvoller Webshops sind wir immer wieder mit der Umsatzsteuerproblematik konfrontiert. Speziell bei Start-Ups und E-Commerce-Einsteigern stoßen die vielen Fragen und die teilweise mit der Umsetzung verknüpften Kosten dabei immer wieder auf (anfängliches) Unverständnis. „Der Webshop wird doch wohl Umsatzsteuer richtig ausrechnen können?“, wäre ein symptomatisches Beispiel. Natürlich kann jeder Webshop grundsätzlich Produkte mit Umsatzsteuer darstellen und diese auch ausweisen. Kein Online-Shop kann aber standardmäßig mit allen denkbaren Möglichkeiten umgehen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit folgt hier eine Liste mit gängigen Fragestellungen.

Unterschiedliche Umsatzsteuersätze pro Produktkategorie

Nicht alle Waren werden gleich besteuert. Es gibt unterschiedliche USt-Sätze. Neben dem „Normalsatz“ gibt es Ermäßigungen und Befreiungen. Dies muss auf Produkt oder Kategorieebene berücksichtigt werden. In Österreich beträgt der Normalsteuersatz 20 %, 10 % ermäßigt (Lebensmittel, Bücher, Wohnungsvermietung…), 12 % für Ab-Hof-Verkauf von Wein…

Unterschiedliche Umsatzsteuersätze pro Land

Das Umsatzsteuersystem ist nicht mal innerhalb der EU harmonisiert. Wird an Konsumenten in verschiedenen Ländern verkauft, muss unter Umständen mit unterschiedlichen Sätzen kalkuliert werden (siehe Mehrwertsteuersätze in der EU). Dies kann im Webshop auf Website- oder Kundenebene erfolgen.

Großhandel / B2B-Verkauf

Im reinen Busines-to-Business-Verkauf sind die Nettopreise maßgeblich. Im Webshop werden daher nur diese angezeigt. Manche Webshops unterscheiden auf Kundengruppenebene zwischen End- und Business-Kunden und benötigen daher beide Darstellungen. Vorsicht: Können auch Endkunden die Preise sehen, müssen sie immer Brutto angegeben werden oder es muss klar ersichtlich sein, dass nicht an Endkunden verkauft wird. Speziell in Deutschland gibt es dazu teure Abmahnungen (siehe PAnGV).

Verkauf an Konsumenten

Beim Verkauf an Konsumenten (Endkunden) müssen Preise immer inklusive USt. angegeben werden.

Gleiche Bruttopreise

Viele Unternehmen wollen für ihre Produkte im Webshop in allen Ländern dieselben Bruttopreise ausweisen. Dies bedeutet jedoch, dass bei unterschiedlichen nationalen Umsatzsteuersätzen die Nettopreise variieren müssen. Kostet ein Produkt in Österreich (20 %) und Deutschland (19 %) jeweils EUR 9,90 inkl. USt., so lautet der Nettopreis in Österreich EUR 8,25 und in Deutschland EUR 8,32. Dies kann für Warenwirtschaftssystem (ERP) und Webshop eine ziemliche Herausforderung darstellen.

Gleiche Netto-Preise

Der aus Händler-Sicht meist logische Fall gleicher Nettopreise bewirkt im Webshop in den unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Bruttopreise. Ein Nettopreis von EUR 8,25 wird dann in Österreich (20 %) zu EUR 9,90, in Deutschland (19 %) jedoch zu EUR 9,82.

Preispflege in Brutto oder Netto

Abhängig davon, welcher Preis aus Sicht des Vertriebs „gestaltet“ werden soll, bevorzugen manche Webshopbetreiber die Preispflege in Brutto oder in Netto. Das Webshopsystem muss den jeweils anderen Preis dann automatisch berechnen.

Rundungsfehler

Die Mehrwertsteuer kann auf Rechnungen mit mehreren Positionen auf zwei Arten berechnet werden:

  1. Spaltenweise
  2. Zeilenweise

Bei Variante 1 werden zuerst alle Netto-Positionen addiert und von der Summe die Mehrwertsteuer berechnet. Im zweiten Fall erfolgt dies sofort für jede Rechnungszeile. Beides ist kaufmännisch zulässig, kann aber bei manchen Preisen zu einer Rundungsdifferenz von 1 Cent führen: 3 Produkte à EUR 0,99 netto + 19 % USt. ergeben bei nach Variante 1 (3 x EUR 0,99) x 1,19 = EUR 3,53 und nach Variante 2  (EUR 0,99 + EUR 0,19) x 3 = 3,54 EUR. Diese harmlose Differenz kann zu Problemen führen. Manchmal ist die Rechnung dadurch unklar, was zu Anrufen im Callcenter führt. Auf der anderen Seite kann es bei Zahlungsdienstleistern (PSPs) zu Missverständnissen kommen, wenn diese die Umsatzsteuer aus den übergebenen Beträgen anders berechnen. PayPal warnt dann plötzlich seine Kunden fälschlicherweise vor einem Betrugsversuch (fraud protection).

Bestimmungslandprinzip oder Herkunftslandprinzip

Grundsätzlich sind Waren innerhalb der EU dort zu versteuern, wo die Lieferung beginnt. Also in der Regel im Land des Händlers. Überschreitet ein österreichischer Händler aber eine festgelegte Lieferschwelle, so kommt die Versandhandelsregelung zur Anwendung. Der Lieferort verlagert sich dadurch an den Zielort der Versendung. Die Berechnung der Lieferschwelle ist für jedes Mitgliedsland gesondert vorzunehmen. Da nicht immer klar ist, ob und wann eine Lieferschwelle überschritten wird, müssen ERP-System und Webshop für diesen Umstand vorbereitet werden.

Differenzbesteuerung

In Österreich ist für gewisse Güter (z.B.: Antiquitäten) die Differenzbesteuerung nach §24 UStG zulässig. Dabei wird der Umsatzsteuersatz von 20 % nur auf die Differenz zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis angewandt. Diese Funktion muss im Webshop in der Regel immer separat installiert werden.

Versandkosten

Auch Versandkosten unterliegen der Umsatzsteuer. Als unselbstständige Nebenleistungen sind die Versandkosten an das Umsatzsteuerschicksal der versandten Waren gebunden, unterliegen also derselben Steuerklasse. Spannend wird es, wenn Waren unterschiedlicher Steuerklassen in ein Paket kommen (zB ein Buch und eine CD). Hier muss je nach geltender Gesetzeslage die USt gesplittet oder der überwiegende USt-Satz angewendet werden.

Checkliste Umsatzsteuer in Webshops

FrageAntwort
Führe ich Produkte mit unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen?nein / ja / welche?
Verkaufe ich in Länder mit unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen?nein / ja / welche?
Benötige ich bei Verkauf in Länder mit unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen gleiche Bruttopreise oder gleiche Nettopreise?brutto / netto
Verkaufe ich an Endverbraucher?ja / nein
Verkaufe ich an Gewerbekunden?ja / nein
Welche Rundungsmethode wende ich bei der Umsatzsteuerberechnung an?zeilenweise / spaltenweise
Wende ich bei der Steuerberechnung immer das Herkunftslandprinzip an oder erreiche ich in Ländern die Lieferschwelle und verrechne nach Bestimmungslandprinzip? Falls Letzteres, in welchen Ländern?Herkunft / Bestimmungsland / welche?
Verkaufe ich z.B. Antiquitäten und wende dabei Differenzbesteuerung an?ja / nein

Was kann nun eigentlich mein Webshop?

Sind alle Anforderungen geklärt, kann diese Frage von der Web-Agentur oder vom Shop-Hersteller Ihres Vertrauens beantwortet werden. Das von und bei LimeSoda standardmäßig verwendete Shop-System Magento ist standardmäßig auf den US-Markt vorbereitet. Für den Verkauf in anderen Märkten muss daher ein Budget für die Konfiguration und Anpassung vorgesehen werden. Je nach Ausprägung der oben genannten Fragestellungen kann die Anpassung schnell gehen oder einige Entwicklung benötigen.

Disclaimer: Dieser Artikel beleuchtet oberflächlich die unterschiedlichen Problemstellungen bei der Behandlung der Umsatzsteuer im Online-Handel. Er ersetzt nicht die genaue Auseinandersetzung mit der aktuell geltenden Rechtslage in Verbindung mit dem eigenen Geschäftsvorhaben. Bitte holen Sie dazu auf jeden Fall juristischen und steuerlichen Rat ein!

Kennen Sie noch weitere Herausforderungen zu diesem Thema? Haben Sie Fragen? Bitte posten!

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Kommentare

  • Exzellenter Artikel, der die Probleme gut zusammenfasst!

    Aus meiner Praxis kann ich noch folgende Herausforderungen ergänzen:

    1. Besteuerung gemischter Produktbündel: Sets bestehend aus Artikeln auf 19% sowie 7%, die einen Bruttopreis haben, der dann nach Deutschem Steuerrecht anteilig besteuert werden muss (nach dem Verhältnis der rabattierten Einzelpreise pro Steuerklasse). Bonusrunde: Verkauf dieser Bundles europaweit.

    2. Verkauf von Ebooks, immer auf digitalem Steuersatz des Ziellandes (sofern innerhalb der EU VAT Area), die digitalen Umsätze müssen dann in die anteilige Besteuerung von Nebenleistungen wie „Nachnahmegebühr“ einfließen, während sie bei Versandkosten nicht berücksichtigt werden dürfen. Bonusrunde: gemischte Bundles mit Ebooks.

    3. Unterschiedliche Steuerklassen pro Land: ein Produkt hat in Deutschland den reduzierten Satz (mit dem Fiskus ausgefochten) und in Frankreich den normalen Steuersatz (Verhandlungen laufen noch).

    Antworten
    • Vielen Dank für die Ergänzungen! Die Ziellandbesteuerung für elektronische Produkte macht uns auch viel Freude…

      Antworten
  • Danke für den wertvollen Beitrag. Ich kenne die Problematik mit den verschiedenen Steuersätzen…das Problem haben wir auch. Vor allem die Mehrwertsteuer bei den Versandkosten ist mir total unklar…..und ob ich diese dann an das Finanzamt abführen muss, obwohl ich doch nur die Versandkosten 1:1 an den Kunden weitergebe.
    lg Katie

    Antworten
  • super erklärt, allerdings hab ich noch eine frage:
    wenn ich in ö umsatzsteuerbefreit(§ 6 Abs. 1 Z 27 UStG) bin (kleinunternehmerin), also keine ust auf meinen rechnungen anführe, bleibt das beim versand in ein eu land bzw nicht eu land auch so?
    ich spreche da von privaten abnehmern.

    vielen dank
    mfg Jess

    Antworten
    • Hi Jess! Also ich bin kein Steuerberater und kann das daher nicht abschließend beantworten. Würde aber vermuten, dass Umsätze, für die im Inland keine USt. anfallen auch im Ausland nicht steuerbar sind. lg! Philipp

      Antworten
      • Um die Frage vollständiger zu beantworten:
        JEin.
        Für „digitale“ Verkäufe gilt z.B. keine Kleinunternehmerregelung mehr, verkaufen sie z.B. EBooks die sie per Mail versenden, dann sind sie in jedem Land des Kunden Umsatzsteuerpflichtig – und das seit 1.1.2015. Es gibt keine Mindestgrenze, ab 0,01 Euro ist man Umsatzsteuerpflichtig und kann zur Kleinunternehmerregelung ade sagen (und zwar dann auch für das Inland, sprich für Umsätze in ihrem eigenen Land . bei Österreich). UK hingegen hat für SEINE eigenen Unternehmen hier eine Ausnahme geschaffen, diese bleiben INNERHALB des UK Kleinunternehmer und sind AUSSERHALB normale Unternehmer mit UST-Pflicht.

        Versenden sie dagegen Waren (reale Güter), ist die jeweilige Umsatzschwelle des Bestimmungslandes zu beachten.

        Antworten
  • Ist die Brutto-Lösung nicht einfacher? Diese kann ich ja von der Lieferadresse abhängig machen. Dann ist es ja klar(er), dass beim Shopping im Inland der jeweilige Inlands-USt. Satz zur Anwendung kommt (also z.B. in D die 19%) und bei einer Lieferung nach Österreich sich der Gesamtpreis durch die 20% USt. erhöht.

    Wie sieht es eigentlich mit dem Shopping aus? Welcher USt Satz findet hier Anwendung oder werden Gesamtkosten sowieso pauschal verrechnet?

    Antworten
    • Bezüglich Brutto-Lösung kommt es halt darauf an, was marketing-technisch gewünscht ist. Manche Unternehmen benötigen gleiche Brutto-Preise, andere können die Netto-Preise nicht variieren.

      Antworten
  • Eine gute Übersicht, Philipp.

    Es fehlt noch die umsatzsteuerfreie Lieferung in Länder außerhalb der EU. Es kommt zwar selten vor, aber man sollte dann definieren, ob zB französisch Réunion umsatzsteuerlich in der EU liegt (-> nein, liegt es nicht).

    Der Besucher der Website soll diese wichtigen Dinge im Hintergrund natürlich gar nicht bemerken. Zum Beispiel, wenn er bei der Lieferadresse ein anderes Land wählt.

    Dabei lässt er vielleicht die Rechnungsadresse im ursprünglichen Land. Was gilt dann? -> Es gilt das Land der Lieferung.

    Nein, die Steuerbehörden machen es uns nicht einfach!

    Antworten

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